Freitag, 24. März 2023

Berlin klimaneutral 2030

Am 26.03. ist nicht nur mein Geburtstag, sondern auch eine offenbar sehr wichtige Wahl, wenn man sich hierzu die Werbekampagnen anschaut. Was heißt das aber konkret für uns? Was bedeutet "klimaneutral"?

Ich brauche keine Geschenke. Der Verzicht auf Konsum - das ist doch schon ein großer Schritt. Aber reicht das überhaupt? Anfang April wollen wir unsere Terrasse verschönern. Die Betonfläche soll mit Naturstein aus Travertin aufgehübscht werden. Naja, der Transport wird wohl nicht mit einem E-Mobil erfolgen. Dazu sind die Lasten doch etwas hoch. Dann das Mörtelbett. Das sind dann schon mal 150 kg Zement verarbeitet, was ebensoviel CO2 entspricht. Wo setze ich bloß den Ersatz-Baum hin? In unserem Garten ist hierfür kein Platz mehr. Wenn ich irgendwo 10 Buchen pflanzen würde, käme ich erst auf 125 kg CO2. Die Frage nach dem "Irgendwo" bleibt offen. Soll das in einem Wald geschehen? Aber da wachsen ja schon Bäume, die brauchen mich doch nicht. Obwohl ich bestimmt schon sehr sparsam mit Ressourcen umgehe, wird mein CO2-Verbrauch allein an "grauer Energie" - also Brennstoffe nicht mit eingerechnet - wohl schon einige Tonnen betragen.

Der durchschnittliche CO2-Verbrauch pro Kopf beträgt in Deutschland 10,8 Tonnen. Allein 20 % hiervon sind nur für unsere Mobilität verantwortlich. Wenn ich diese vollständig herunterfahren könnte, blieben immer noch 8,6 Tonnen CO2 übrig. 5% für Strom - da bin ich auf die Stromanbieter angewiesen. PV-Anlage fällt bei uns schon wegen Denkmalschutz aus. Beim häuslichen Verbrauch - im Durchschnitt sind das jährlich 2,2 Tonnen CO2 pro Kopf - könnte ich dann einsparen. Die Anlage ist neu und sehr effizient. Die Infrastruktur ist schon lange vorhanden, so dass andere Heizlösungen unwirtschaftlich erschienen. Wenn das Gas Wasserstoff-basiert hergestellt würde, wäre das für Gasheizungen, bezogen auf die CO2-Bilanz - ein echter Zugewinn. Unser Gas-Anbieter nutzt anteilig auch Biogas, da wäre bis 2030 sicherlich noch mehr drin. Auf Null Emission bis dahin erscheint mir jedoch unrealistisch. Auch Wärmepumpen sind keine "Null-CO2-Emmitenten". Für Erdwärme ist unser Standort ungeeignet, für Luftwärmepumpen wäre ein Zuheizen mit Strom erforderlich, wenn es doch mal kälter draußen ist. Lasse ich Heizen, Strom und Mobilität weg, liege ich wahrscheinlich mit meinem CO2-Abdruck trotz Sparsamkeit noch bei 3 t im Jahr. Selbst wenn ich das noch auf jährlich 2,5 Tonnen CO2 herunter drücken könnte, müsste ich hierfür zum Ausgleich noch 250 Buchen pflanzen.

So schön die Idee mit der Klimaneutralität der Stadt Berlin auch klingt. Wenn 4 Millionen Einwohner so sparsam sein wollen, dass der Pro-Kopf-Verbrauch auf 2,5 Tonne CO2 statt 10,8 Tonnen sinkt, müssten also dafür als Ausgleichmaßnahme 1 Milliarde Buchen gepflanzt werden. Dabei ist hier rechnerisch bereits die Industrie abgeschafft worden. Oder die Industrie betreibt einen "Ablasshandel" mit Waldgebieten, die irgendwo in der Welt wachsen (vermutlich eigentlich ohne Hilfe der Industrie).

Berlin klimaneutral - und das wollen wir also bis 2030 schaffen? Schaffen wir das überhaupt irgendwann?